Zu den Mobilisierungen der Bevölkerung auf Kuba und den imperialistischen Aggressionen

  • Sofortige Beendigung der imperialistischen Wirtschaftsblockade gegen Kuba!
  • Für ein freies und souveränes Kuba!
  • Nieder mit der imperialistischen Einmischung in Kuba!
  • Für eine sozialistische Demokratie auf Kuba!

Am 11. Juli wurden wir Zeugen und Zeuginnen von Protesten, die durch die enormen Engpässe ausgelöst wurden, unter denen Kuba leidet, seit Trump es auf die Liste der terroristischen Länder gesetzt hat; dadurch wurden die Überweisungen aus den USA auf die Insel abgeschnitten und brachen die Einnahmen aus dem Tourismus weg.

Dies geschieht auf einer Insel, die einen großen Teil der konsumierten Produkte importieren muss und die keinerlei internationale Unterstützung erhält (die enormen Schwierigkeiten, die Venezuela durchmacht, haben sich auch auf Kuba negativ ausgewirkt), was in mancher Hinsicht an die schlimmsten Zeiten der „Sonderperiode“ erinnert. Die Blockade verhindert auch die Produktion von Covid-19-Impfstoffen für die Kubaner:innen, obwohl Kuba anderen Ländern während der Pandemie geholfen hat.

Hinzu kommt ein tief sitzendes Unbehagen auf der Insel: In den letzten dreißig Jahren hat die soziale Differenzierung stark zugenommen, in diesen Jahren hat die Regierung ausländische Investitionen anzuziehen und den Tourismussektor zu entwickeln versucht, was eine Zunahme der Privatinitiative mit Beschäftigung von Angestellten ermöglicht hat. In einer Situation, in der Waren knapp sind, hat der ungleiche Zugang zu US-Dollars die Ungleichheiten noch weiter erhöht; sie sind jedoch viel geringer geblieben als in Ländern, in denen der Kapitalismus restauriert ist, wie China, Vietnam und der ehemalige osteuropäische Block. In Kuba hat sich kein großer lokaler kapitalistischer Sektor entwickelt, der zur Ausbeutung von Lohnarbeit berechtigt wäre. Der lokale kapitalistische Sektor wächst zwar, aber nicht in demselben Ausmaß wie in den genannten Ländern. Die Verfassungsänderungen von 2019 haben deutlich gemacht, dass es noch rechtliche Hindernisse für die freie Entfaltung des kapitalistischen Sektors gibt, insbesondere die Begrenzung der Anzahl der Lohnempfänger:innen, die der lokale Privatsektor einstellen darf.

Zu den besorgniserregenden Auswirkungen der zunehmenden Ungleichheit, der Blockade und der Steigerung der Inlandsproduktion, um die Bedürfnisse der Bevölkerung zu befriedigen, kommt die Ausbreitung evangelikaler religiöser Sekten hinzu, die Druck auf die Regierung ausüben, damit diese z. B. die volle Anerkennung der Rechte von LGBTQI+ einschränkt.

Bemerkenswert ist auch die Aktivität neuer Generationen, die stark mit den globalen sozialen Netzwerken verbunden sind, unter denen sich eine neue Generation von Künstler:innen entwickelt hat, die sich vom Erbe der Revolution überhaupt nicht betroffen fühlen. Gleichzeitig stirbt ein wichtiger Teil der Generation aus, die direkt am revolutionären Prozess des dritten Viertels des letzten Jahrhunderts beteiligt war.

Dieser Cocktail explodiert in einem Kontext, in dem die Regierung sehr wenig Spielraum hat, um die kurzfristigen Auswirkungen des Mangels abzumildern, und sich damit schwer tut, einen demokratischen Entscheidungsprozess zu eröffnen, der die neuen Generationen wieder einbeziehen würde (der verfassungsgebende Prozess von 2018/19 war ein Versuch in diese Richtung, aber er war eindeutig unzureichend). Da sie bürokratische Methoden bevorzugt, unternimmt die Regierung keinerlei Anstrengungen im Sinne einer stärkeren Partizipation der Arbeitenden, insbesondere für die Entwicklung der Arbeiterkontrolle in den Betrieben und der bürgerschaftlichen Kontrolle in der Gesellschaft.

Dies erklärt den Rückgriff auf die Repression und die Mobilisierung der Sektoren, die ihnen treu bleiben, um die Proteste zu stoppen, und den Versuch, zumindest in der Sommersaison ein gewisses touristisches Einkommen zu erzielen, das ihnen einen Spielraum für die Bekämpfung bestimmter Aspekte der Unzufriedenheit der Bevölkerung geben würde. Die Rede von Präsident Miguel Díaz-Canel am Sonntag, den 11. Juli, nach der Welle von Protesten, die mehr als ein Dutzend Städte im ganzen Land von Ost bis West erfasst haben, ist keine angemessene Antwort auf die Situation. Obwohl Díaz-Canel einräumt, dass ein großer Teil der Demonstrierenden wegen der schwierigen Lebensbedingungen aufrichtig besorgt war, übte er keine Selbstkritik in Bezug auf seinen Umgang mit der Situation und legte er Nachdruck nur auf die Manipulationen des konterrevolutionären Sektors, der eindeutig für die US-Intervention ist ‒ was eindeutig zu verurteilen ist. Der Aufruf der Regierung an die Revolutionär:innen, als Antwort auf die Drohungen der Konterrevolutionär:innen auf die Straße zu gehen, droht Zusammenstöße und verstärkte Repression zu provozieren.

Wir können die Proteste in Kuba nicht von dem trennen, was in anderen lateinamerikanischen Ländern passiert, wo die hohen Lebenshaltungskosten, die durch die Pandemie und ultraliberale Maßnahmen verschärft werden, hinter sozialen Ausbrüchen (mit unterschiedlichen Motivationen) wie dem jüngsten in Kolumbien ebenso wie denen in Ecuador und Chile im Jahr 2019 stehen. Die Pandemie hat zweifelsohne alle sozialen Widersprüche international und insbesondere in Lateinamerika verschärft und zu wachsender sozialer Ausgrenzung und zunehmender Ungleichheit geführt. Trotz der in vielerlei Hinsicht vorbildlichen Gesundheitsversorgung kann sich auch Kuba nicht den schlimmsten wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der globalen Krise und der Pandemie entziehen. Der ebenfalls wachsende soziale Widerstand in Lateinamerika, der sich den wirtschaftlichen und politischen Plänen des Imperialismus für die Region entgegenstellt, wirkt sich jedoch zugunsten der Durchbrechung der Isolation Kubas und der Bewahrung seiner politischen Unabhängigkeit aus.

Leider stellen bedeutende Teilen der Linken keine kritische Analyse der Situation in Kuba, der Erosion des politischen Systems und der Hoffnungslosigkeit der ganz jungen Generationen an. Im Gegenteil, wir sehen in vielen Ländern einen unkritischen Schulterschluss, wobei dem alles eine imperialistische Verschwörung ist, die Legitimität der Volksmobilisierung nicht anerkannt wird und diese ausschließlich „Agenten des Imperialismus“ zugeschrieben wird. Es ist offensichtlich, dass der Imperialismus die sozialen Proteste für die Interessen, die er in den verschiedenen internationalen Konflikten einer immer konvulsiveren Welt verfolgt, zu deuten und zu beeinflussen sucht, erst recht wenn es um ein Land geht, das als Beispiel für souveränen Widerstand für die ganze Region steht… Es liegt auch auf der Hand, dass er dies zunehmend durch intensive Kampagnen in sozialen Netzwerken tut, mit denen er die soziale Unzufriedenheit von außen zu lenken sucht, um sie in Richtung des Zusammenbruchs der kubanischen Regierung zu kanalisieren. Aber dass dies alles das Produkt der Einmischung der Großmächte sei, ist eine Einstellung, die von der komplexen und widersprüchlichen Realität weit entfernt ist. Mehr noch, mit solch einer Antwort wird die Beteiligung der Volkssektoren an sozialen Konflikten gering geschätzt, als ob alles ein Schachspiel wäre, zu dem das Volk nie eingeladen wird, es wird als eine Art Minderjährige betrachtet, die nicht dazu imstande ist, sich ihrer Interessen bewusst zu werden und für sie zu einzustehen.

Auch wenn die Lage komplex und widersprüchlich ist, treten wir von der Vierten Internationale, die die kubanische Revolution von Anfang an bedingungslos unterstützt hat, für einige grundlegende Ideen ein:

  • An erster Stelle verurteilen wir die illegale und unmenschliche Blockade, der das kubanische Volk unterworfen ist, und fordern wir deren sofortige Beendigung.
  • Wir rufen zur solidarischen Mobilisierung auf, um den Mangel an Grundprodukten, unter der die Insel leidet, zu lindern und sich der von den USA verordneten Blockade zu widersetzen.
  • Wir fordern die Biden-Administration auf, Kuba von der Liste der Länder zu streichen, die den Terrorismus beherbergen und begünstigen; das ist aus offensichtlichen Gründen notwendig, um die wirtschaftliche Situation des Landes zu verbessern. Wir weisen die Interventionsdrohungen zurück, mit denen Biden die kubanische Ultrarechte im Exil und die reaktionärsten Sektoren der Republikaner zu umschmeicheln sucht.
  • Wir verurteilen die Kampagne der internationalen Massenmedien, die fälschlicherweise behaupten, das gesamte kubanische Volk würde sich gegen die Regierung erheben und die Regierung würde mit großer Brutalität antworten, während sie die Augen vor den viel gewalttätigeren, volksfeindlichen Formen der Repression verschließen, die in Ländern wie Frankreich gegen die Gelbwesten 2018/19, in den Vereinigten Staaten während der Black-Lives-Matter-Proteste 2020 oder in Kolumbien 2021 eingesetzt werden, um nur einige Beispiele aus einer langen Liste zu nennen.
  • Wir fordern, dass die kubanischen Behörden das demokratische Recht auf Protest, die Entwicklung unabhängiger sozialer Bewegungen, den politischen Pluralismus und die demokratische Debatte respektieren ‒ das ist der einzige Weg, um zu verhindern, dass die Revolution aufhört, ein Beispiel für die Völker Lateinamerikas und der Welt zu sein.
  • Wir verlangen die Wahrheit über die Haft- und Repressionsbedingungen, um den Missbrauch von Gewalt zu stoppen und die Verantwortlichen für Misshandlungen vor Gericht zu bringen.
  • Wir fordern die sofortige Freilassung derjenigen, die bei den Demonstrationen am 11. Juli verhaftet wurden; vorausgesetzt, sie haben keine Handlungen begangen, durch die das Leben von anderen bedroht war.
  • Wir setzen uns für ein souveränes, unabhängiges Kuba mit echter demokratisch-popularer Partizipation der Arbeitenden an den Geschicken der Insel ein. Für ein sozialistisches und demokratisches Kuba.
  1. Juli 2021

Übersetzung SOAL

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